Der Auerhahn wählt nächstes Mal
nicht wie bisher die Grünen,
die haben seinen Wald total
bestückt mit Windturbinen.
Und stellt die Windkraft sich im Land
als Abenteuer dar,
dann ist der Auerhuhnbestand
nicht mehr erneuerbar.
Schlagwort: Vogelgedichte
Narzisse und Goldammer
Eine gelbe Emberiza
sang im Urlaub auf Ibiza
jeden Tag im weißen Flieder
ihre monotonen Lieder.
Unterm Strauch den Osterglocken
war kein Beifall zu entlocken.
Schließlich hörte man nach Tagen
eine der Narzissen sagen:
„Singen kann ich zwar nicht selber,
dafür leuchte ich viel gelber!“
Darauf ließ die Ammer allen
was auf ihre Köpfe fallen
und fuhr in den Folgejahren
nie mehr auf die Balearen.
Der Zilpzalp
Im frühen Lenz, so Mitte März,
spielt er mit nur zwei Noten
die Ouvertüre des Konzerts
der andren Frühlingsboten.
Er hilft beim ersten Sonnenschein
den Winter zu entschärfen,
doch auf die Dauer geht mir sein
Geklimper auf die Nerven.
Der Fichtenkreuzschnabel
Sein Mund, der schief gewachsen ist,
fällt deutlich aus dem Rahmen,
er zwitschert laut damit und frisst
verklebte Fichtensamen.
Wie diesem Vogel, so ergeht
es manchem anderen Sänger,
der sich bemüht als Interpret
und lebt als Har(t)zempfänger.
Die Wasseramsel
Die Wasseramsel baut ihr Nest
in Spalten oder Lücken,
die ihr der Mensch am Ufer lässt,
sehr gern auch unter Brücken.
Bereits im Winter legt sie los,
wohl kennend ihre Lage:
Zum Bau benötigt sie viel Moos
und viele Brückentage.
Der Zaunkönig
Es thront ein kleiner Prinzregent
dort drüben auf dem Pfosten
und trotzt mit seinem Temperament
dem kalten Wind von Osten.
Er flattert weiter auf dem Draht,
hüpft in den Strauch dahinter
und pfeift als erste Frühlingstat
gehörig auf den Winter.
Der Buchfink
Er traut sich nicht ins Futterhaus,
bleibt unten ohne Klagen
und pickt, was oben fällt heraus,
den Abfall sozusagen.
Er lebt im Winter ganz bequem
als Almosenempfänger
und ist im Lenz trotz alledem
bei uns der beste Sänger.
Der Bergfink in der Schweiz
Er reist aus russischem Revier
in großen Aufgeboten
im Winter an und steigert hier
die Übernachtungsquoten.
Er kommt fast jährlich als Tourist
nicht nur, um aufzutanken,
egal, wie schwach der Rubel ist,
egal, wie stark der Franken.
Gedicht zum Vogel des Jahres 2015
Ihr Feinde mein, ich will zunächst nicht fluchen…
Und scheinbar ist mein erster Zorn vorbei.
Doch geb ich euch aus meinem Blick nicht frei,
um irgendwann mir einen auszusuchen:
Er wird den scharfen Krallen nicht entgehn.
So plötzlich und auf schonungslose Weise
zieht gierig auch der Habicht seine Kreise,
die Puten und die Gänse auszuspähn.
Alexander Puschkin (1825): Приятелям
(Nachdichtung aus dem Russischen von Manfred Lieser)
Sergej Jessenin (1910)
Der Winter heult und ruft juhu,
singt in den Schlaf und wiegt dazu
den flaumbedeckten Wald.
Und ringsumher in tiefem Gram
verziehen sich auf ferner Bahn
die grauen Wolken bald.
Der Schneesturm zügelt seinen Flug,
legt auf den Hof ein seidnes Tuch,
und bittre Kälte klirrt.
Die Spatzen, die sonst so vergnügt,
sind an das Fenster angeschmiegt,
wie Kinder, die verirrt.
Es frieren sehr die Vögelein,
die hungrig sind und müd und klein,
zusammenrückend fest.
Indes der Schneesturm wütend brüllt,
die Fensterläden schlägt wie wild
und immer stärker bläst.
Nun schlummern meine Vöglein sacht
in dieser Schneegestöbernacht
am Fenster, das verschneit,
und träumend sehn sie wunderbar,
im Sonnenlächeln hell und klar,
die schöne Frühlingszeit.
(Nachdichtung aus dem Russischen von Manfred Lieser.)