Neues aus der Hühnerszene

Neue Rauhfußhuhnart entdeckt: das Restliche Haselhuhn (Tetrastes relictus, SCHREIER 2018)
(ml) Genetikern der Universität Preiselberg ist es gelungen, anhand von Balgmaterial eine bisher unbekannte Form des Haselhuhns zu definieren. Die Unterschiede zu den bekannten Formen sind derartig groß, daß man so weit ging, daraus eine neue Art zu machen – das Restliche Haselhuhn. Es grenzt sich nicht nur genetisch, sondern auch ökologisch klar ab. So bewohnt es ausschließlich anthropogene Habitate wie Schubladen und Vitrinen in Museen, Gaststuben oder Ausstellungen in Naturschutzhäusern. Eine besondere Verantwortung für die Erhaltung der Art trägt das Museum König in Bonn, das 99,9% des Weltbestandes beherbergt. Alle anderen Meldungen erwiesen sich als Verwechslungen mit Singdrossel, Heckenbraunelle oder Fichtenkreuzschnabel (diesjährig).

Krücken für Küken
(ml) Bedingt durch Klimawandel, Nährstoffeintrag aus der Atmosphäre und Waldkalkung hat sich die Heidelbeerschicht in den letzten Auerhuhnbiotopen des Schwarzwaldes auf ein unerträgliches Maß entwickelt, und zwar in bezug auf die Höhe und die horizontale Durchdringbarkeit. Wie sollen in einem solchen Gestrüpp Auerhuhnküken überleben? Diese Frage stellen sich neuerdings die Praktiker im Schwarzwald, die übrigens jahrzehntelang die Förderung der Heidelbeere propagierten. Nun hat ein pensionierter Revierförster in enger Absprache mit der Auerwildhegegemeinschaft Freiburg Krücken entwickelt, mit deren Hilfe die jungen Hühner den Heidelbeerdschungel besser passieren können. Die Geräte bestehen aus FSME-zertifiziertem Hickoryholz und können leicht zerlegt und wieder zusammengebaut werden. Zur Förderung der adulten Auerhühner empfehlen die Experten das Abspielen von Beatles-Liedern („Lennon für Hennen“) und den Anbau von Südfrüchten („Bananen für Hahnen“).

Tag der Arbeit

Jeder weiß, warum der Mai-

anfang so ein Festtag sei,

aus den Bäumen hin und her

winkt ein wahres Blütenmeer,

Bienen nach geglücktem Flug

reichen Nektar sich im Krug,

Falter taumeln unbeschwert,

wie von früher Glut betört,

und zu jeder Tageszeit

predigt uns der Chor der Stare

jene leichte, wunderbare,

wunderbare Heiterkeit.

Und das ist für uns von Bayern

bis zur See ein Grund zu feiern.

 

Die Vogelscheidung

Die Vogelscheidung

 

Die Vögel wollten Scheidung machen in dem grünen Walde – fidirallalla…

Der Waldkauz war der Ehemann, er schleppte fleißig Beute an.

Stets volle Futternäpfe fand seine Frau, die Schnepfe.

Doch war der Gatte impotent, so ist sie auf den Strich gerennt.

Von fern ein Golden Plover, der war ihr erster Lover.

Ein schmucker Silberreiher, das war ihr zweiter Freier.

der dritte war der Leiter des Forstamts, usw…

Dann kam, es war schon Winter, der Herr Gemahl dahinter:

auf Tipp der Tannenmeise, doch fehlten die Beweise.

Ein Habicht, den er zu sich rief, der wurd des Gatten Detektiv.

Ein zusätzlicher Späher, das war der Eichelhäher.

Sie lieferten bald Bilder von ihr mit Gold und Silber.

Das reichte unsrem Kauze: „Jetzt gibt’s was auf die Schnauze!“

Drauf traf sie die Entscheidung und reichte ein die Scheidung.

Betroffen sprach der Kleiber: „Das ist ja typisch Weiber.“

Dagegen hielt der bunte Specht: „Im Grund genommen hat sie recht.“

Die Nachtigall fängt irgendwann aus vollem Hals zu schluchzen an.

Der Wiedehopf, der Wiedehopf, der fasst sich sprachlos an den Schopf.

Vom Zaun der kleine König, der wundert sich nicht wenig.

Der kluge Rabe wusste Rat, er war des Gatten Advokat,

und ihrer war der Haselhahn, der hört sich ihr Gefasel an,

will wirklich alles wissen und fängt gleich an zu spissen.

Der Mittelspecht als Schlichter, das war der Scheidungsrichter.

Der Kuckuck, dieser kesse, berichtet für die Presse.

Der zugereiste Seidenschwanz entsorgt den alten Hochzeitskranz,

indes der Seidenreiher verwertet ihren Schleier.

Die junge Turteltaube erbt von der Braut die Haube.

Der Auerhahn verdreht den Hals: „Wie gut ist doch Arenabalz!“

Und alle pfeifen irgendwie auf Ornithomonogamie.

 

1.3.19

Loriots Nudel – eine Interpretation

Wohl jeder Bundesbürger gesetzteren Alters, der über ein Fernsehgerät verfügt, kennt Loriots Sketch „Die Nudel“ aus dem Jahr 1977. Die Szene dauert gut drei Minuten und spielt in einem Restaurant. Ein Herr mittleren Alters, dargestellt von Loriot, versucht nach dem Essen, seiner jüngeren Tischpartnerin (Evelyn Hamann) eine Liebeserklärung zu machen, nicht merkend, daß eine kleine Nudel in seinem Gesicht klebt, die die Aufmerksamkeit aller auf sich lenkt und die hochtrabende Rede des Verliebten ins Lächerliche zieht, ja geradezu bedeutungslos macht. Dem oberflächlichen Zuschauer mag die unappetitliche Nudel Grund genug für Erheiterung sein, wie aber in allen Werken Loriots steckt auch in diesem Sketch viel Hintergründiges,

Es beginnt, während der Kellner abräumt, mit der banalen Frage des Herrn, der anonym bleibt: „Wissen Sie, Hildegard, daß wir uns fast ein Jahr kennen und daß wir nun schon zum zweiten Mal zusammen essen?“ Hier bekommen wir einen ersten Hinweis auf die Stellung der beiden Personen zueinander. Er spricht sie mit Vornamen an, bleibt aber beim Sie, eine Form der Anrede, die viele Chefs Mitarbeiterinnen gegenüber praktizieren. Daß beide in derselben Firma arbeiten, wird dann klar, als er sich zu einem späteren Zeitpunkt selbst die Frage stellt: „Warum übernehme ich denn in zwei Wochen die Einkaufsabteilung?“ und sie sofort beantwortet: „Weil ich eine saubere Weste habe, weil ich politisch in Ordnung bin, weil ich die Tricks alle kenne, weil mir keiner was vormacht.“ Er beschließt diese Aufzählung mit einem selbstgefälligen Zusammenklappen der Zähne. Mit „sauberer Weste“ und „politisch in Ordnung“ kann nur sein loyales und konformistisches Verhalten in der Firma gemeint sein, das seinen Aufstieg möglich gemacht hat. Wehe aber dem Untergebenen, der ihn austricksen will! Unser Mann verkörpert als Kollege den typischen Radfahrer, der nach oben buckelt und nach unten tritt.

Welche Tritte er austeilen kann, bekommt vor den Augen der Dame der arme Kellner  zu spüren, der den Espresso in einer Tasse mit Lippenstift serviert: „Das können Sie Ihren Gästen in Neapel anbieten, hier kommen Sie damit nicht durch!“, womit auch klar wird, daß das Restaurant – passend zur Nudel – ein italienisches ist. Dem Ober wird gewissermaßen Absicht unterstellt, mit der er im schlampigen Heimatland durchkäme, bei einem akkuraten deutschen Gast aber keine Chance hat. Die Frau am Tisch dagegen versucht, den Kellner (und damit sich selbst in analogen Fällen in der Firma) in Schutz zu nehmen: „Das kann doch mal vorkommen.“ Er: „Das kann vorkommen, Hildegard, aber es darf nicht vorkommen.“ Der Ober wird also dem Imponiergehabe des Verliebten geopfert. Hildegard stiert währenddessen ununterbrochen mit gläsernem Blick auf die Nudel, die durch Handbewegungen des Kavaliers immer wieder in dessen Gesicht die Position ändert, passend zu seinen verbalen Äußerungen. So heißt es, als die Nudel an seinem Riechorgan baumelt: „Sagen Sie es, wenn Ihnen meine Nase nicht passt!“

Als der Redner zu der aus seiner Sicht zentralen Aussage „Hildegard, ich liebe Sie“ kommt, geht diese Erklärung in dem Trubel um die Nudel völlig unter. Der Zuschauer kann ohnehin kaum glauben, daß dieser langweilige Durchschnittsjunggeselle mit seiner Sechzigerjahrefrisur Liebe, die Heinrich Heine als eine Art Elektrizität bezeichnete, empfinden kann. In anderen Sketchen wie „Liebe im Büro“ oder „Kosakenzipfel“ verändert Loriot gern mit Brillen oder künstlichen Zähnen seine Physiognomie, der Nudelmann dagegen zeigt sein nacktes Gesicht, dem jegliches Format fehlt. Und er selbst scheint seine Liebe gar nicht für begehrenswert zu halten, denn er fragt sofort: “Hab ich Sie verletzt?“ Ein Kavalier aber, der eine kränkende Wirkung seiner Liebesbekundung für möglich hält, ist nicht ernst zu nehmen.

Die Mitteilung über seine Beförderung zum Leiter der Einkaufsabteilung ist die wahre Kernaussage in dem Sketch, denn sie erklärt vieles des zuvor Gesagten, vor allem, daß er lange auf den richtigen Augenblick gewartet habe, jetzt sei er da. Mit der bevorstehenden Gehaltserhöhung kann er nämlich der Dame wirtschaftliche Sicherheit signalisieren. Sein gesteigertes Selbstbewußtsein bekommt letztendlich wieder der Kellner zu spüren, als die Nudel plötzlich im Espresso schwimmt: „Nun sehen Sie sich das an, Hildegard. Herr Oooober!“ Damit endet der Sketch, der aber den Schluss zulässt, daß es zu keiner Beziehung kommen wird, woran allerdings nicht die Nudel schuld ist.

 

Manfred Lieser, 18.7.19

Lerchengedichte

Lerchengedichte

(aus dem Russischen von Manfred Lieser)

Die Lerche

Es rötet sich der dunkle Wald,

ein zarter Dunst erfüllt die Auen,

als laut das frühe Lied erschallt

der Lerche über mir im Blauen.

Sie singt herab mir ins Gemüt

und blinkt im Licht der Himmelshöhen;

der Frühling lässt uns neu erblühen;

ich singe gleichfalls ihm ein Lied.

Hier fühle ich mich frei und selig,

so ungezwungen und so fröhlich;

ich schau die Welt von nah und fern.

Mein Liedchen preiset Gott, den Herrn!

Wassilij Schukowskij (1783-1852)

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Grau der Abend, feucht und trübe…

Horch, der Lerche Heiterkeit!

Sag, was willst du, Gast der Frühe,

zu der späten, toten Zeit?

Klar und deutlich bringt dein Klirren

zu der toten, späten Zeit

wie das Lachen eines Irren

meiner Seele Angst und Leid.

Fjodor Tjutschew (1803-1873)

+++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

An die Lerche

Ob am Tag, zur Abendzeit,

oder morgens früh –

gleichsam in Verborgenheit

sangst du in der Höh.

Lange höre ich nun zu

diesem fernen Klang,

und mir scheint, dass gar nicht du

schenkst mir den Gesang.

Afanassij Fet (1820-92)

++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++

Die Lerche

Wie unbeschwert und wonniglich

verstreut sie ihre Oden,

erhebend in die Höhe sich

von ihrem Heim, dem Boden.

Sie hat ein kleines Haus gewählt

im dichten Halmgedränge,

und braucht das ganze Himmelszelt

für jubelnde Gesänge.

Samuil Marschak (1887-1964)

Blick nach Südwesten

Schwarzwald noch im Original,
quasi in natura,
vorn das lange Wiesental,
hinten quer der Jura.

Welch ein Zauber, welch ein Flair!
Doch es kann nichts nützen:
Windturbinen müssen her
auf die höchsten Spitzen.

Bauern bringt das Pachtzins ein,
den Kommunen Steuern.
Geld muß heut aus Quellen sein,
welche sich erneuern.

Und die Landschaft, lieber Mann,
die wir heut verprassen,
wird sie auch mal irgendwann
sich erneuern lassen?

Manfred Lieser

Vogel des Jahres 2018

Der Star in meinem Garten ist ein Star.
Fast alle Interpreten
aus der bunten Vogelschar
sind in seinem Repertoire
als Imitat vertreten.
Mäusebussard, und Milan
führen seine Strophe an,
Spatz, Pirol und Mönchsgrasmücke
sind die folgenden drei Stücke,
Schwalbe, Falke, Ente
läuten ein das Ende,
dann gibt es auf jeden Fall
noch ein bisschen Nachtigall.
Müde wird er dabei nie,
dieses bunte Potpourri
von vorne zu beginnen.
Und für mich ist völlig klar:
Bei Deutschland sucht den Superstar
würde er gewinnen.

Schriftenschau

Urs N. Glutz von Blotzheim & Christian Marti (in Vorb.):

Fußbuch der Vögel Mitteleuropas, Bd. 1-36, 10567 S., Festsaal-Verlag, Wiesbaden, Ablösesumme 105 Mio. €

Nachdem das aus 22 gewichtigen Schmökern bestehende Handbuch der Vögel Mitteleuropas vor einigen Jahren erfolgreich abgeschlossen wurde, hat der Hauptautor Urs N. Glutz von Blotzheim beschlossen, damit die Sache Hand und Fuß bekomme, nun den komplementären Teil des Werkes folgen zu lassen. Hierfür hat er sich in Christian Marti den idealen Partner ausgesucht, der nun in die Fußstapfen von so namhaften Mitautoren wie Kurt M. Bauer und Einhard Bezzel tritt.

Das Fußbuch der Vögel Mitteleuropas fußt auf der Idee, den wissenschaftlich verpackten Stoff des Handbuches auch der Oma, die noch gut zu Fuß jeden Tag die Tauben füttert, oder dem Fußballspieler, der sich über im Rasen stochernde Vögel wundert, dem ornithologischen Fußvolk also, zugänglich zu machen. Hierzu werden sämtliche Fachausdrücke wie Fußschwingenprojektion, Fußdecken oder Fußflügelindex mit Gänsefüßchen gekennzeichnet und auf jeder Seite ihrer Erwähnung in Fußnoten erklärt. Das hat zu dem riesigen Umfang des Werkes geführt, das dennoch nicht mit dem Extendium der Vögel Mitteleuropas (siehe Besprechung in Vogelkrippe 17, S. 27f) verwechselt werden darf. Trotz seiner leichten Verständlichkeit enthält das Fußbuch auch einige Pferdefüße. So wird eine völlig neue Systematik eingeführt, die den Hinterextremitäten ungewohnte Bedeutung beimißt. Die Reihenfolge der Arten geht vom Rauhfußkauz über Buntfuß-Sturmschwalbe, Rotfußfalke bis zum Grünfüßigen Teichhuhn. Breiten Raum nimmt die Besprechung der Rauhfußhühner ein.

Es bleibt die Frage offen, ob das Fußbuch alle Leser erreichen wird, denn die Oma dürfte sich im Gegensatz zum Fußballprofi dieses Werk kaum leisten können. Die Bartlosigkeit der Autoren wird sich ebenso verkaufshemmend auswirken.

Manfred Lieser

American Robin at the nest

Without its red belly, and except for a few additional white speckles in its plumage, the North American Robin (Turdus migratorius) looks like a European blackbird. Thus, it is not surprising that these two species have been placed in the same genus. However, the American Robin has nothing to do with the European Robin, despite the popular name it has got in its homeland. Like the blackbird, the American Robin is also found in gardens and parks.

Marina Polak Yoffe made her video of an American Robin at the nest available to us. The bird’s red belly is quite well recognizable.