Nikolaj Rubzov (1936-71): Am See (На озере)

Strahlende Ruh

floss vom Himmel herab

und hat besucht meine Seele.

Strahlende Ruh

deckt die Gegend nun ab,

Wasser und Land und Gefühle.

Zauberin Stille,

wie strahlst du so heiß!

Mache mit magischem Gleißen

in der Idylle

der Schwäne, die weiß,

auch diesen schwarzen zum weißen.

 

(Nachdichtung aus dem Russischen von Manfred Lieser)

 

Schriftenschau

Wladimir A. Pajewski: An der Schwelle zur Erleuchtung (На пороге прозрения). Gedichte (auf Russisch). Renome, St. Petersburg, 2013, Paperback, 11,5×16,5 cm, ISBN 978-5-91918-256-6, 200 S.

Bezug beim Autor über http://www.stihi.ru/avtor/payevsky.

Warum soll an dieser Stelle ein Gedichtband besprochen werden, der noch dazu vollständig auf Russisch ist? Weil in vielen der Texte Vögel eine Rolle spielen, weil ein Kapitel der Kurischen Nehrung gewidmet ist, zu der die deutsche Ornithologie seit Gründung der ersten Vogelwarte (Rossitten, 1901) bis heute eine enge Beziehung hat, und weil der Autor ein interessantes Beispiel dafür gibt, dass es Wissenschaftlern keineswegs verboten ist, Emotionen zum Ausdruck zu bringen. In einem seiner Gedichte spricht er selbst von den „schablonenhaften Abgründen der Wissenschaft“, denen zu entfliehen er offenbar immer wieder das Bedürfnis hatte. Wladimir Alexandrowitsch Pajewski, geboren 1937 in St. Petersburg und heute dort wohnhaft, war seit 1961 Mitarbeiter des Zoologischen Institutes der Russischen Akademie der Wissenschaften, erst als Laborant, dann als Ornithologe der Biologischen Station Rybatschi auf der Kurischen Nehrung. 1968 promovierte er über das Territorialverhalten von Sperlingsvögeln auf dem Zug, 1987 folgte die Habilitationsschrift „Demographie der Vögel“.

Das vorliegende Buch enthält Texte, die zwischen 1955 und 2012 entstanden und thematisch gruppiert sind. Die Kapitel heißen u.a. „Vergängliches und Ewiges“, „Künstlerisches Schaffen“, „Mein St. Petersburg“, „Liebe und Ähnliches“, „Träume“, „Kurische Nehrung“, „Auf Wanderschaft“, „Die Vögel Shakespeares“, „Ironische Strophen“. Das letzte Kapitel enthält Übertragungen englisch- und polnischsprachiger Lyrik ins Russische. Pajewski ist stilistisch sicher, vielseitig und eigenständig. Insgesamt ein bemerkenswertes Buch von einem außergewöhnlichen Ornithologen!