Vor 100 Jahren: Bahnbrechende Forschungen am Haubentaucher

Hundert Jahre liegt es nun schon zurück, da erschien in den Verhandlungen der Zoologischen Gesellschaft London ein Meilenstein der Ornithologie und Verhaltensforschung: Julian Huxley (1887-1975) veröffentlichte im Jahre 1914 die Ergebnisse seiner Forschungen über das Balzverhalten von Haubentauchern (Podiceps cristatus). Über einen Zeitraum von vierzehn Tagen lag der englische Biologe mit Fernglas und –rohr mehr oder weniger ununterbrochen auf der Lauer, um das Verhalten dieser Lappentaucherart für die Wissenschaft zu dokumentieren. Wer selbst einmal Zeuge des Balzverhaltens der im männlichen und weiblichen Geschlecht fast gleichgefärbten Vögel geworden ist, wird dieses eindrucksvolle Schauspiel so schnell nicht vergessen.

Ein immer wiederkehrendes Verhalten ist das beiderseitige „Kopfschütteln“, wobei sich Männchen und Weibchen gegenüber stehen. Eingeleitet wird die Zeremonie, die bis zur Paarung immer wieder aufgeführt wird, durch Drohgebärden. Im Folgenden gibt es Tauchmanöver, bei denen ein Partner plötzlich vor dem anderen aus dem Wasser steigt und der andere eine drohgebärdenähnliche „Katzenhaltung“ einnimmt. Spektakulärstes Element ist der „Pinguintanz“ bei dem Männchen und Weibchen Bauch an Bauch, und mit Nistmaterial im Schnabel, im Wasser stehen und mit den Schwimmfüßen platschen. Huxley wendete auf die eindrucksvollen Schauspiele der Haubentaucher den Begriff der Ritualisierung an. Verhaltensweisen aus anderen Lebensbereichen wie dem Nestbau werden in formalisierter und wiederholter Weise dargeboten und besonders betont, werden als „Intentionsbewegungen“ nur angedeutet, aber nicht zu Ende gebracht und damit ihres ursprünglichen Zweckes völlig entfremdet. Der Partner antwortet seinerseits in einem festgelegten Schema, Rollentausch inbegriffen.

Stadien des Paarungsvorspiels des Haubentauchers. Zeichnungen: Woodward/Huxley (1914)

Dieses ritualisierte Verhalten dient nach Huxley der Arterhaltung, denn es fördert die Kommunikation zwischen den Vögeln sowohl innerhalb als auch außerhalb der Art, regelt das Verhalten zwischen Individuen innerhalb der Fortpflanzungsgemeinschaft und verstärkt die Paarbindung der Haubentaucher. So wird Schaden von der Art abgehalten. Und so lässt sich denn auch die Entstehung dieses grandiosen Schauspiels der Haubentauber im Sinne von Darwins Theorie der natürlichen Auslese erklären. Seine Verwunderung über die Tatsache, dass Haubentauchermännchen und -weibchen bei ihrem Paarungsvorspiel fast völlig „emanzipiert“ erscheinen, brachte Huxley allerdings ins Grübeln über Darwins Konzept der sexuellen Selektion, bei dem nur einer der Partner, meistens das Weibchen, die Partnerwahl bestimmt. Als eine Möglichkeit für die Evolution gleichgefärbter Geschlechter galt seinerzeit, dass die sexuelle Selektion zunächst zur Ausprägung des männlichen Balz-„Outfits“ führen und über die gemeinsame genetische Grundausstattung von Männchen und Weibchen einer Art auch bei letzterem etablieren könnte. Huxley führte stattdessen eine andere Möglichkeit an und prägte den Begriff der ‚mutual sexual selection‚, also der wechselseitigen sexuellen Selektion. Dabei gibt es sowohl unter den Männchen, als auch unter den Weibchen einen Wettbewerb um die jeweils attraktivsten Vertreter des anderen Geschlechts, und die erwählten Tiere geben in der Folge ihre Gene an die Nachkommen weiter.

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